Im Rahmen der Wiener Elektrotage 2025 wurde bei der Podiumsdiskussion wieder einmal gefragt, wo wir aktuell beim Thema „Bidirektionales Laden“ stehen. Klingt nach einer einfachen Frage, ist es aber nicht. Eine kurze, allgemeingültige Antwort auf diese Frage – fast unmöglich! Denn bei dieser Frage gilt es eine Vielzahl an Faktoren zu berücksichtigen und am Ende kommt es natürlich auch immer auf den Blickwinkel an. Daher haben wir uns dieser Frage etwas ausführlicher gewidmet und das Thema aus verschiedenen Blickwinkeln beleuchtet.
Die Technik: Beginnen wir mit einen Blick auf die Technik. Und aus technischer Sicht kann man ganz klar sagen – es ist angerichtet! Mehrere Fahrzeughersteller wie BMW und Mercedes haben für 2026 marktreife und preislich durchaus attraktive Produkte (bidirektionale Ladestationen) angekündigt und ich bin mir sicher in den nächsten Monaten wird der Großteil der OEMs ebenfalls eigene Lösungen präsentieren. Und auch abseits der großen OEMs gibt es erste (unabhängige) Anbieter von Ladeinfrastruktur, die bereits heute bidirektionale Ladestationen anbieten oder deren Markteinführung für die nächsten Monate angekündigt haben.
Und trotzdem gibt es im Bereich der Technik noch zahlreiche Fragezeichen! Nicht nur die Frage, ob sich AC- oder DC-Lösungen durchsetzen werden oder es mittelfristig nicht doch beide Technologieansätze geben wird, bringt eine gewisse Unsicherheit mit, sondern vor allem die Frage der Interoperabilität ist Stand heute ein Unsicherheitsfaktor. Nicht, weil es keinen anwendbaren Standard gibt (den gibt es mit der ISO-15118-20 bereits länger), sondern weil die meisten Fahrzeughersteller (siehe Renault in Frankreich oder die VW-Gruppe in Deutschland) bisher auf einen proprietären Standard setzen, wenn es um die Kommunikation zwischen Fahrzeug und Ladestation geht – sprich man ist aktuell gezwungen die Bidi-Wallbox des Fahrzeugherstellers oder eines lizenzierten Partners zu kaufen, anstatt jene, die den eigenen Bedürfnisse oder Vorlieben am besten entspricht.
Ob das wirklich das ist, was die KundInnen wollen? Denn was ist, wenn ich schon eine Elektroauto habe? Was, wenn mehrere Fahrzeuge verschiedener Hersteller in einem Haushalt geladen werden müssen? Müssen dann verschiedene Wallboxen angeschafft werden? Und was passiert beim Wechsel zu einem neuen Fahrzeug? Ist dann wieder eine neue Wallbox nötig? Am Ende des Tages ist dieser Schritt aus Sicht der Fahrzeughersteller natürlich nachvollziehbar. Unabhängig davon stellt sich aber sehr wohl die Frage, ob man damit mittel- bis langfristig wirklich auf das richtige Pferd setzt.
Die Geschäftsmodelle: Dies bringt mich auch direkt zu den zugrundeliegenden Geschäftsmodellen. Vorweg – hier ist es Herstellern wie z. B. Renault und BMW hoch anzurechnen, dass sie als eine der ersten Fahrzeughersteller marktreife Lösungen anbieten und damit Bewegung in den Markt bringen.
Inwiefern deren aktuelle (bzw. angekündigte) Geschäftsmodelle jedoch für die breite Masse geeignet sind bzw. die breite Masse dafür noch nicht bereit ist (auch das könnte durchaus zutreffen), bleibt abzuwarten. Hier setzen beide aktuell auf ein geschlossenes Ökosystem, sprich Fahrzeug, Ladestation, Energiemanagement und mitunter sogar der Stromvertrag kommen vom Fahrzeughersteller bzw. einem ausgewählten Kooperationspartner. Auch das ist aus Sicht des Fahrzeugherstellers durchaus nachvollziehbar, hat er so doch alles selber in der Hand und reduziert damit potenzielle Probleme z. B. durch verschiedene Anbieter von vornherein. Ob Stand heute die breite Masse bereit ist, beim Autokauf auch gleich den Stromanbieter zu wechseln, darf zumindest stark angezweifelt werden. Das wissen auch die Fahrzeughersteller und ich bin überzeugt davon, dass die aktuellen Geschäftsmodelle schon bald offener und flexibler gestaltet werden.
Umso besser, dass bereits auch erste unabhängige Anbieter von Ladeinfrastruktur offene Lösungen für 2026 angekündigt haben, die zumindest am Papier mit ausgewählten Fahrzeugen verschiedener Hersteller kompatibel sind.
Die Kosten: War bis vor kurzem noch fraglich, wie schnell vor allem im DC- Bereich bidirektionale Wallboxen zu einem vertretbaren Preis am Markt angeboten werden können, hat BMW hier Nägel mit Köpfen gemacht und biete seine bidirektionale 11-kW DC Wallbox um ca. 2.100 EUR an. Inwieweit dieser für eine DC-Wallbox äußerst attraktive Preis durch Fahrzeugverkäufe oder anderweitig gestützt ist, ist schwer zu sagen, aber BMW hat damit sicherlich die Benchmark für alle anderen MitbewerberInnen gesetzt – und setzt damit vor allem auch unabhängige Hersteller von Ladeinfrastruktur unter Druck, die keine Möglichkeit haben geringe/fehlende Margen bei der Wallbox über den Fahrzeugverkauf abzufedern. Für die EndkundInnen sollte das jedoch kein Nachteil sein, denn um diesen Preis wird bidirektionales Laden mit einem Schlag leistbar und wirtschaftlich für die breite Masse.
Lange Rede, kurzer Sinn: Anfang 2026 wird es marktreife Lösungen ausgewählter Hersteller geben. Und auch wenn hier in vielerlei Hinsicht noch viel Luft nach oben gibt, kann man dennoch von einem Meilenstein für bidirektionales Laden sprechen! Die Zukunft hat damit endgültig begonnen und die Elektromobilität legt damit endgültig das Image des Problemkinds ab und wird schneller als gedacht zum Gamechanger für die Energiewende!